- 301 schied in seinem achtundzwanzigsten Jahre, bald nachdem er seine juristischen Studien abgeschlossen hatte; die Schwindsucht raffte ihn dahin. Es war ein zarter, sensitiver Melancholiker, Lenau verwandt, dessen große, tiefe Augen in das Jenseits gerichtet waren, und der mit der Nacht, mit dem Halbdunkel, mit dem Traume und mit der Sehnsucht vertrauter war als mit der Sonne, dem Licht und mit der alltäglichen Wirklichkeit. Seine Lieder und Sonetten, die ungemein melodisch und weich klingen, stehen noch unter dem Byronschen Einflusse, doch Mayer kennt nur die schwermütige, düster melancholische Note seines heißgeliebten Meisters; Byrons titanenenhafter Trotz, seine ätzende Kritik der menschlichen Gesellschaft, sein stolzer Sarkasmus sind ihm, wie den meisten Byronschülern in Böhmen, dagegen durchaus fremd. Aber Mayer versuchte sich auch auf anderen, selbständigeren Bahnen, wenn noch oft unsicher; er neigt sich mitleidig und liebevoll zu den bedrückten Proletariern; er interessiert sich für die sozialen Konflikte des Arbeiters und des Arbeitgebers und findet für ähnliche, damals noch hypermoderne Stoffe einen schwungvollen poetischen Ausdruck, der in seiner wortreichen Rhetorik und seinem humanen Liberalismus oft an Freiligrath erinnert. Kräftiger und vielseitiger als Mayer war allerdings der jüngere Vaclav Solc (1838--1871); aber die psychologischen Feinheiten, welche bei Mayer bezaubernd wirken, darf man von diesem verbummelten Bauernsohn und verirrten Bohemien nicht erwarten, wiewohl er als Formkünstler die meisten Zeitgenossen übertrifft. Goethes strenges und gerechtes Urteil über Günther, dessen Schicksale Solc durchleben mußte, trifft auch bei Solc wörtlich zu: er konnte sich nicht zähmen, und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten. Seine Begabung war urwüchsig und dabei doch ungemein reich: er beherrschte sowohl das einfache volkstümliche Lied als auch die beredte Ode; er war zugleich zarter Liebesdichter und wuchtiger Rhetoriker; neben kleinen frischen Genrebildern aus der Großstadt und der Vorstadt findet man bei ihm breitangelegte Skizzen zu großen historischen Gemälden; ein üppig-sinnlicher Orientalismus, welcher sich auch in der schwierigen Ghaselenform offenbart, wechselt bei ihm mit schlichtester Heimatkunst. Was jedoch seinen Gedichten, die unter dem Titel »Prvosenky~ (»Primeln«, 1868) erschienen