- 302 sind, innere Einheit verleiht, das ist die konsequent durchgeführte Idee des liberalen Demokratismus: hier spricht ein selbstbewußter Bauernsohn, dessen Väter noch unter der Leibeigenschaft leiden mußten, und dessen Ahnen gegen die weltliche und geistliche Obrigkeit so mutig sich auflehnten, hier spricht ein stolzer Ceche, dessen Volk politisch geknechtet ist, hier spricht ein leidenschaftlicher Slawe, der alle Feinde und Bedrücker seines Stammes haßt und verachtet. Und so preist Sole sowohl die polnische Revolution als auch den Aufstand der Südslawen gegen das türkische Joch; so besingt er sowohl den Kampf der cechischen Nation um das alte, gute Recht als auch die Emanzipation des fünften Standes. Der ungarische Achtundvierziger Petöfi und der Pariser Volksdichter Beranger haben ihn dabei stark beeinflußt; besonders diesem hatte Sole seine volkstümliche, knappe, coupletartige Form entnommen, der er auch seine Popularität verdankt. Seine Gedichte, die bei all seinem improvisatorischen Verfahren oft reife technische Kunst verraten, waren sehr einflußreich. Besonders war es Svatopluk Cech, der die Balkanische Halbinsel und den slawischen Orient mit Soleschen Augen gesehen und in seiner Manier besungen hat; aber auch Vrchlickys westöstliche Formkunst empfing von Sole" manche Anregung. Nicht so glänzend und mannigfaltig wie die Lyrik hat sich in dem Zeitalter Nerudas und Haleks die cechische Novellistik und Romankunst entfaltet; aber auch hier darf man von einer Verjüngung der cechischen Litteratur sprechen. Dürftig und unbedeutend war alles, was die neue Generation auf dem Gebiete der prosaischen Erzählung vorfand; seichte historische Romane, die sich sklavisch an Walter Scott anschlossen, naive Detailmalerei aus den Kreisen des Kleinbürgertums, die bisweilen mit schüchterner Satire und einem ängstlichen Humor ausgestaltet war, süßliche, philiströse Liebesgeschichten mit patriotischer Tendenz - das bildete damals den Grundstock der cechischen Prosa. Nur die frischen idyllisch realistischen Erzählungen aus dem Volksleben von B. Nemcova bildeten in dieser tristen Öde eine lobenswerte Aus:nahme: doch auch in dieser fand die neue, feurige Generation nur einen allzu engen Ideenkreis , einen unbedeutenden Lebensausschnitt, eine idyllische, primitive Auffassung, wenn auch die Schriftstellerin den modernen Tendenzen nicht un-