- 313 steller pflichtgetreu waltete, und ermüdet uns durch den ödesten Schulmeisterton, durch eine didaktische Moral, die in einem wunderlich überladenen, sich an die volkstümliche Gnomik anlehnenden Stile vorgetragen wird, derart, daß wir dann seine unsagbar weitschweifigen Bücher verstimmt und enttäuscht aus der Hand legen. Konnte man in der cechischen Lyrik und Novellistik der sechziger und siebziger Jahre tatsächlich von einer organischen Entwicklungslinie sprechen und die gesamten Erscheinungen in einen einheitlichen Rahmen einfügen, so wäre Ähnliches in der Geschichte der cechischen dramatischen Litteratur doch allzu gewagt. Alle Voraussetzungen eines organischen Wachstums fehlten der cechischen szenischen Kunst: man besaß keine dramatische Tradition, keine große litterarische Bühne, kein dramatisch gebildetes Publikum; einige wirklich hervorragende Schauspieler mußten in minderwertigen Schwänken, gedankenlosen Operetten ihre besten Kräfte vergeuden; die Theaterkritik , in der auch Neruda und Pfleger tätig waren, stand noch in ihren allerersten Anfängen; die Regie wurde vernachlässigt. Im Jahre 1859 wurde nahe der Prager Neustadt ein neues, geräumiges Theatergebände errichtet; seit dem Jahre 1861 wechselten auf dem böhmischen Landestheater deutsche Stücke regelmäßig mit den cechischeni nach zwei Jahren wurde dann die cechische Abteilung des Landestheaters als eine selbständige Bühne eröffnet; zur Eröffnungsvorstellung wählte man die neue Tragödie von Halek ,König Vukasin«. Klassisches Repertoire wechselte mit salbungsvollen vaterländischen Stücken abi übermütige französische Komödien wurden neben schüchternen einheimischen Lustspielen vorgeführt; so vermißte man einheitlichen Stil sowohl in der dramatischen Produktion als auch in der Darstellung. Der dämonisch groteske Interpret der Shakespeareschen und Goetheschen Gestalten, der »affenteuerliche, naupengeheuerliche« Mime J osef Jiri Kolar (1812-1896), bei dem das erhabenste Pathos mit der beißendsten Ironie gepaart war, deklamierte mit unbeschreiblicher Originalität und fratzenhafter Genialität seine großartigen Rollen und verachtete dabei ebenso seine Kollegen wie sein Publikum. Sein begabter Neffe, ein humorvoller Karikaturist und dabei der gewissenhafteste Schauspieler Frantisek Kolar (1830-1895), wußte derbe und zarte, drollige und lebenswürdige Volksfiguren