3 engende Nationaltendenz - zwei Kräfte, die bei anderen Völkern Werke von Weltgröße auszulösen vermochten, bei den Cechen hingegen in einer derart sonderbaren Art und Weise ausgenutzt wurden, daß sie sich die Literatur~bis zu einem sklavischen Frondienst hörig machten. Das erste Jahrhundert des cechischen Schriftwesens, noch in die unbeschränkte Herrschaft gotischer und feudaler Ideale fallend, vermochte noch zwischen dem Geiste der Kirche:ukultur und dem der Ritterschaft Gleichgewicht zu halten und zeitigte, wenngleich unter offensichtlichem Anschluß an fremde Vorbilder, eine Reihe Werke, in denen sich die besagten Komponenten organisch verbinden und in denen ein angemessenes Wortkunstniveau erreicht wurde. Aber hierauf, eben in dem Zeitraume, in welchem in Süd- und Westeuropa die Renaissance mit ihrem humanistischen Vortrab darangeht, dem Kunstsinn in den Literaturen einen Weg zu bahnen, stellte sich das cechische Volk unter dem Einfluß einer gewaltigen religiös-nationalen Bewegung, des Hussitenturns, der neuen Richtung aufs schärfste entgegen. Indem man da, vom völkischen Radikalismus ganz befangen, die feudalen Ideale zu zertrümmern bestrebt ist, bereitet man mit grausamer Hartnäckigkeit die folgerichtigste Erneuerung der gotischen Ideale vor, denen man das ganze Leben unterordnet. Weder die Hussiten noch ihre Fortsetzer, die Böhmischen Brüder, sind bereit, eine Kultur und Literatur als solche anzuerkennen, die sich nicht den religiösen Tendenzen dienstbar erwiese. Das bedeutete eine offenbare Reaktion gegen die damaligen Schöpferkräfte der Gedanken- und Kunstwelt Europas und eine verspätete Rückkehr zu der symbolischen Konzeption des Mittelalters in der Zeit eines aufblühenden Renaissancenaturalismus, aber trotz alledem hätte diese allgemeine Religionsbegeisterung bei einem jungkräftigen Volk das künstlerische Schaffen entfachen können; doch ein cechischer Dante oder ein cechischer Milton ist nicht erstanden. Insofern die cechische Religiosität nicht partei-konfessionell orientiert war und ihre Kräfte nicht in dogmatischen Streitfehden vergeudete, betrat sie einerseits den Entwicklungsweg in der Richtung zum unfruchtbaren Rationalismus, andererseits den der sittlich und sozial praktischen Lebensführung - in beiden Bereichen fühlt sich eben gewöhnlich das kritische, nüchterne und praktische Wesen der Cechen am meisten heimisch. Und da entstehen im Zeitraum vom 15.-17. Jh. auf dem cechischen Boden durchaus nicht etwa aus Religionsi~spiration quellende Werke oder gar 1*