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demen cechischen Lyrik und Prosa gleichwertig wären. Um so
willkommener überraschte das glückliche Debut des jungen
Jaroslav Hilbert (geb. 1870), welcher in seiner )Vina«
(~Die Schuld« 1896, deutsch von R. Saudek, Leipzig 1904), durch
seine frische Technik, seinen anmutigen Dialog, seine leichte
Handlungsführung und besonders durch seine zarte Zeichnung der
Frauengestalten die schönsten Hoffnungen erregte. Auch ihn schlug
der düstere Geist der Schwere später in seine Fesseln; schon Hilberts
beiden nächsten, von Ibsen beeinflußten Problemstücke, die
religiöse Tragödie )Pest« ()Die Faust«, 1898), und das
krampfhafte, verworrene Psychodrama ~Psanci« (»Die Parias«, 1900),
haben die Glanzseiten seines Erstlingswerkes eingebüßt.
Danschafft Hilbert, welcher sich auch als männlicher, knapper
Erzähler von herber Gr.öße erwiesen hat, ein großes ritterliches
Schauspiel aus der Pfemyslidenzeit ~Zavis von Falkenstein«
(1903), wo der durch Halek stümperhaft behandelte Stoff seine
poetische Verklärung findet. In diesem kühnen Versuche um
die Neubelebung des historischen Dramas bemüht sich Hilbert
um großen monumentalen Stil, welcher zur dramatischen Synthese
tendiert, alles Nebensächliche und Willkürliche zur Seite schiebt
und gewaltige Persönlichkeiten aus tragischen Konflikten
entstehen läßt. Hilbert ist nicht der einzige cechische
Bühnendichter , welcher um diese neue Form des Dramas ringt. Der
typische, mehrfach erwähnte Dekadent J i f i Kar ase k, früher
ein peinlicher Zergliederer ganz undramatischer Seelenzustände,
ist über das Märchendrama zur Tragödie des religiösen
Übermenschentums )Apollonius von Tyana« (1905) und zum düster
wollüstigen Renaissancedrama ~Cesare Borgiac (1908) gelangt.
Ebenfalls findet man in den letzten Stücken, namentlich in dem
tiefen »Tristan~ des Jaroslav Maria Mayer (geb. 1870),
eines ehemaligen Ibsenisten und Dichters der modernen
Frauenseele, bedeutende Ansätze zur heroischen Tragödie. Auch die
beiden Schauspiele des männlichen und anspruchsvollen Ar nos t
Dvofak (geb. 1880), der kraftstrotzende ~Knize« (~Der Fürste,
1908), aus Böhmens heldenhafter Vorzeit und der manchmal
lyrische, öfters aber nur dekorative ~König Wenzel IV.« (1910)
aus der Vorgeschichte des Hussitentums, versprechen ganz
Großes auf dem Gebiete der symbolischen Deutung der tragischen
Menschengeschicke. Weder Hilbert noch Dvofak, weder Mayer