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daIs er, ein strenger Walter der schonungslosesten Autokritik,
ehrlich genug sei, dieses sich selbst zu gestehen. Sein ganzes Verhalten
der Öffentlichkeit gegenüber schien diese Annahme zu bekräftigen:
nachdem er den lohenden Schmerzen und dem scharf nagenden
Zweifel seiner Sturm- und Drangperiode poetischen Ausdruck
gegeben hatte, verstummte er als Lyriker und sah als ruhiger
Betrachter und wohlwollender Kritiker, wie Halek überall
Erfolge erntete, und wie dann später Sv. Cech und J. Vrchlicky
zu Königen des cechischen Parnasses ausgerufen wurden; seine
litterarische Tätigkeit blieb jahrelang auf Journalistik und auf
eine allerdings nur ausnahmsweise groIszügige Novellistik
beschränkt.

Da schieist auf einmal nach dieser langen Pause, welche die
siebziger Jahre ausfüllt, die lebendige Quelle seiner Poesie
in reinen und frischen Strahlen empor; der Dichter ver·
öffentlicht binnen fünf Jahren drei vortreffliche Gedichtbücher,
von denen ein jedes eine neue Saite seiner poetischen Begabung
erklingen läIst. Alles, was in seinen unfertigen Erstlingswerken
kaum angedeutet war, wird jetzt mit einer sicheren und
zielbewuIsten Kunst durchgeführt. Aber, was noch schwerer wiegt
- es steht hier vor den staunenden Blicken der litterarischen
Öffentlichkeit, welche so lange mit dem willkürlichen
Eklektizismus und mit der epigonenhaften Schönmalerei nach berühmten
Mustern vorlieb nehmen mu(ste, ein ungemein origineller Künstler
von echt nationaler Eigenart und wundervoller Stilreinheit.
Der konsequente Vorkämpfer des litterarischen Weltbürgertums
von früher, der spöttische Verächter des landläufigen
Patriotismus von gestern, erschien auf ·einmal als vollendeter Meister
des volkstümlichen Stiles, als intimer Kenner der cechischen
Volksseele, ja als ein leidenschaftlicher Bekenner eines
patriotischreligiösen Mystizismus, der an die polnischen Romantiker der
traurigsten Emigrantenzeit erinnerte. Und endlich: dieser Dichter,
dessen poetische Anfänge noch stark von der Spätromantik
beeinfluist waren, stellt sich an die Spitze einer neuen realistischen
Poetik; tapfer ,emanzipiert sich Neruda von dem üppigen
Verbalismus, der schreiend pleinairistischen Koloristik, von der hohlen
Rhetorik seiner Zeitgenossen und schreibt gedrängt, knapp,
ja wortkarg, wie er es bei Erben und Celakovsky lernen
konnte; trifft immer mit einem bezeichnenden Epitheton, mit