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gleich zarter Liebesdichter und wuchtiger Rhetoriker; neben
kleinen frischen Genrebildern aus der Grofsstadt und der
Vorstadt findet man bei ihm breitangelegte Skizzen zu grofsen
historischen Gemälden j ein üppig-sinnlicher Orientalismus wechselt
bei ihm mit schlichtester Heimatskunst. Was jedoch seinen
Gedichten, die unter dem Titel 1> Primeln c (1868) erschienen
sind, innere Einheit verleiht, das ist die konsequent
durchgeführte Idee des liberalen Demokratismus: hier spricht ein
selbstbewufster Bauernsohn , dessen Väter noch unter der
Leibeigenschaft leiden mufsten, und dessen Ahnen gegen die weltliche
und geistliche Obrigkeit so mutig sich auflehnten, hier spricht ein
stolzer Ceche, dessen Volk politisch geknechtet ist, hier spricht
ein leidenschaftlicher Slawe, der alle Feinde und Bedrücker seines
Stammes haLst und verachtet. Und so preist Sole sowohl die
polnische Revolution als auch den Aufstand der Südslawen gegen
das türkische Joch; so besingt er sowohl den Kampf der cechischen
Nation um das alte, gute Recht als auch die Emanzipation des
fünften Standes. Der ungarische Achtundvierziger Petöfi und
der Pariser Volksdichter Beranger haben ihn dabei stark
beeinflufst j besonders diesem hatte Solc seine volkstümliche,
knappe, 'coupletartige Form entnommen, der er auch seine
Popularität verdankt. Seine Gedichte, die bei all seinem
improvisatorischen Verfahren oft reife technische Kunst verraten, waren
sehr einflufsreich. Besonders war es Svatopluk Cech, der
die Balkanische Halbinsel und den slawischen Orient mit Solc'schen
Augen gesehen und in seiner Manier besungen hat j aber auch
Vrchlickys westöstliche Formkunst empfing von Sole manche
Anregung.

Nicht so glänzend und mannigfaltig wie die Lyrik hat sich
in dem Zeitalter Nerudas und Haleks die cechische Novellistik
und Romankunst entfaltet; aber auch hier darf man von einer
Verjüngung der cechischen Litteratur sprechen. Dürftig und
unbedeutend war alles, was die neue Generation auf dem
Gebiete der prosaischen Erzählung vorfand j seichte
historische Romane, die sich sklavisch an Walter Scott
anschlossen, naive Detailmalerei aus den Kreisen des
Kleinbürgerturns, die bisweilen mit schüchterner Satire und einem
ängstlichen Humor ausgestaltet war, süfsliche, philiströse
Liebesgeschichten mit patriotischer Tendenz - das bildete da-