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Spezialität sind moderne, oft allegorische Verserzählungen, die
auf Lord Byron zurückzuführen sind und sozialpolitische Fragen
im Geiste eines liberalen Demokratismus und eines romantischen
Panslawismus behandeln. Mit einem einigermaIsen nebelhaften
Messianismus, ähnlich wie man ihn in der russischen und polnischen
Litteratur der dreifsiger und vierziger Jahre findet, betrachtet Cech
die Sendung der Slawen innerhalb der geschichtlichen Entwicklung
Europas. Das alte, raffinierte und übersättigte Westeuropa ist
in seinem Innern von einer Todeskrankheit durchfressen; eine
soziale Revolution, die nicht so sehr entfernt ist, wird den siechen
Riesenkörper endgültig zerschmettern - so lesen wir in Cechs
düsterer und pessimistischer Allegorie )Europaq (1880).
Danbricht nun aber der neue Morgen für die bisher mifsgeachteten
slawischen Völker an - hier hört man Kollars Ideen -; doch
das Slawentum ist bis heute dieser ungeheueren politischen und
kulturellen Aufgabe nicht gewachsen. Zuerst müssen die Slawen
ihre ewigen Zwistigkeiten ablegen; der Dichter selbst versöhnt
in »Slavia. (1884), einer dem Gedichte »Europa« nicht
unähnlichen Allegorie, die Russen mit den Polen, die Serben mit den
Kroaten, die russischen Nihilisten mit den idealistischen
Slavjanophilen, allerdings ohne den Leser im geringsten zu
überzeugen.

Waren jedoch die russischen Slavjanophilen wie Kirejevskij
und die polnischen Messianisten wie Towianski oder der ältere
cechische Panslawist Kollar arge Reaktionäre und unterwürfige
Qiener des staatlichen 'Absolutismus, ist Cech in seiilem
Panslawismus immer ein gesinnungstreuer Demokrat und Liberaler
geblieben. Aus seiner Jugend hat er eine treue Liebe zu
dem Bauernstande mitgebracht, so daIs er zu der Zeit, als in
Böhmen der Ruf nach einer nationalen Aristokratie laut
wurde, in seinem schlichten »Gesangbuche des Jan Burianq (1894)
den selbstbewuIsten Bauer hoch über den Adel stellte. Auch
hat er gegen den kapitalistischen GroIsbetrieb und gegen die
Fabrikindustrie die Partei für das autochthone Kleingewerbe
ergriffen und in einem tragischen Idyll »Der Schmid von Lesetin«
(1883, deutsch nur in kleinen Bruchstücken in der Albertsehen
Anthologie), das trotz der Beschlagnahme äuIserst populär
geworden ist, diesen Konflikt poetisch verwertet. Wie Neruda
hieIs er die sozialistische Organisation der modernen Proletarier,