Vierzehntes Kapitel.

Der Realismus in der cechischen Novellistik und
im Drama.

Die patriotische Schule schwelgte in ihren
historischpolitischen Träumen, und die ihr entgegengesetzte kosmopolitische
Gruppe irrte in der poetischen Ferne; da fing das realistische
Interesse für die unmittelbare Wirklichkeit des täglichen Lebens
nur ganz allmählich an sich zu regen. Auch hier hat bereits die
von Halek und Neruda geführte Generation neue Ziele gewiesen,
ja teilweise auch selbst neue Bahnen gebrochen; Halek und Sv~tla,


die bedeutendsten Erben der Bozena Nemcova, bedeuten bei all .

ihrer romantischen Handlungkonstruktion und
idealistischenCharakteristik einen grofsen Fortschritt in der Schilderung des
cechischen Volkslebens; Neruda eroberte mit seiner skizzenhaften
Technik des novellistischen Genres das Grofsstadtleben für die
Litteratur; Pfleger, ein Schüler der jung-deutschen Schule,
begrUndete den cechischen sozialen Roman. Doch diese
neueröffneten Wege wurden allzubald verlassen; die meisten Schriftsteller
der siebziger und achtziger Jahre verdarben durch unangenehm
aufdringliche Moral, durch gewaltsame patriotische Tendenz, durch
einen faden, verlogenen Idealismus, durch süfsliche Sentimentalität
wieder das lebenstreue Bild der Wirklichkeit.

Nun mufste die realistische Kunst wieder erobert werden,
und so bildet das langsame Erwachen des Wirklichkeitssinnes
und der Kampf um den Realismus die eigentliche Geschichte der
cechischen Novellistik in den achtziger Jahren.

Einige Motive, die für die Entstehung der realistischen
Richtung entscheidend waren, liegen allerdings aufserhalb der
Litteratur: es ist vorerst die grofse ethnographische Bewegung,