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der lei~enschaftlich gehalsten Gesellschaft die wildesten Vorwürfe
ins Gesicht, er verabscheut die reichen Fabrikanten, die
vermögenden . Bauern , die in ihrer bequemen Ordnung glücklichen
Bürger, die liebesseligen Eheleute; die moderne kapitalistische
Gesellschaft erscheint ihm als eine grälsliche alttestamentarische
Vision von Laster, Elend, Abscheu und Niederträchtigkeit. Wo
er kleine Naturskizzen oder kürzere Erzählungen bietet - die
gelungensten sind in den Sammlungen »Eindrücke au~ Natur
und Gesellschaft« (1894) und »Stillebenc (1898) vereinigt, und
in einer guten deutschen Auswahl »Erzählungen und Skizzen«
(1907) von Zd. Hostinska zugänglich - erschüttert er seine Leser
durch stürmische Kraft; dagegen wirken seine formlosen
ermüdenden Romane, welche gewöhnlich eine ganz spärliche
Alltagshandlung auf mehreren hundert Seiten unglaublich schleppend
erzählen und sie mit nichtssagenden Episoden und überfüllten
Milieuschilderungen unterbrechen, nur abschreckend und
abstolsend; das gilt besonders von seiner ganz unverdaulichen
»Hölle« (1905), einem halb mystischen, halb naturalistischen
Fabrikromane.

N ur in ihren künstlerischen Anfängen hing Frau R 11 zen a
Svobodova (geb. 1868) mit dem Naturalismus zusammen.
Mit ungemein scharfer, sich bis in das Mark der Dinge
verbohrender Beobachtungskunst studierte sie die erbärmliche,
nichtige Alltäglichkeit, welche sie dann oft in verzerrender
Karikatur und satirischer Groteske wiederzugeben liebte. Mit
einer der naturalistischen Schule eigenen Gründlichkeit, einer
geradezu wissenschaftlichen Genauigkeit erwarb sie tiefe Kenntnis
der verschiedenen Gesellschaftsmilieus und Lebenskreise , in
denen si~ ihre Erzählungen sich abspielen liefs. Es verrät den
seltenen Mut der naturalistischen Sozialkritiker , dals sie sich
mit den verschiedensten moralischen Gebrechen. mit angefaulten
Institutionen, schlimmen Lebenslügen ihrer Umgebung bekannt
gemacht hat. Doch mit dieser naturalistischen Methode
gewansie nur den Hintergrund für ihre ersten Bücher, von denen
wenigstens ihr Erstlingswerk, der Roman »Zerschellte (1896), und
die feine psychologische Porträtstudie »Die überschwere Ähre«
(1896) Erwähnung verdienen. Das psychologische Hauptthema
dieser nervösen, krankhaft empfindsamen Bücher bildet die fast
typische Lebenstragik des neuen Weibes: ein feines, in den er-