- 358 didaktische Note gelernt; näher noch steht ihm Leconte de Lisle, dem er als Übersetzer fast so viel Aufmerksamkeit wie V. Hugo geschenkt hat; wie dieser einsame herbe Poet und Denker vertieft sich auch Vrchlickj gern in die Urzeit, wo alles noch unsicher, nebelhaft, geheimnisvoll, dabei aber gewaltig, riesenhaft, übermenschlich war, wie Leconte de Lisle betrachtet V rchlicky zuweilen die Weltgeschichte mit einem stoischen Pessimismus, mit einer erhabenen Geste der schweigsamen Verachtung. Seit seinem längeren Aufenthalte in Italien beschäftigt sich Vrchlickj systematisch mit der italienischen Poesie, die bis dahin in Böhmen gänzlich unbekannt war. Als Übersetzer hat er seinem Volke nicht nur die großen Epen Dantes, Tassos und Ariostos, sondern auch die gesamte Lyrik Leopardis und Carduccis geschenkt; in zwei umfassenden Anthologien hat er ein vollständiges Bild der modernen italienischen Dichtung entrollt, ja auch manches, was sonst in der Weltlitteratur nicht heimich ist, wie die Gedichte Michel Angelos, die ätzende Satire des ironischen Abbe Parini und die schlichten Lieder des sizilianischen Naturdichters Cannizzaro hat er in Böhmen bekannt gemacht. Hatte seine ]ugendzeit die tiefsten Eindrücke von Dantes weltgeschichtlicher Mystik und Leopardis heroischem Pessimismus empfangen, so wurde später die kräftige Rhetorik Giosue Carduccis für seine Dichtung entscheidend: Carduccis freies, mutiges Verhältnis zu der Antike, seine entwicklungsfröhliche , antiklerikale Tendenz, seine meisterhafte Verschmelzung der odischen und idyllischen Dichtkunst, sein schwungvoller, fester Strophen bau , der sich selbständig an altrömische Vorbilder anlehnt - das alles fand bei dem kongenialen Vrchlickj den aufrichtigsten Beifall, der sich schnell in direkten Einfluß umwandelte. Doch ist V rchlickj nicht bei den Italienern und Franzosen stehen geblieben: Calderon, Camoens, Verdagueri Byron, Shelley und die meisten englischen Poeten des Victoria-Zeitaltersi Whitman, Poe ; Goethe, Schiller, Immermann , Hamerling, Lingg, K. F. Meyer sind hinzugekommen; ja, auch slawische Dichter wie Mickiewicz fehlen nicht in diesem großartigen Maskenzuge, in dem sich Goethes stolze Losung der Weltlitteratur so wunderbar verkörpert. Nicht alle Übersetzungen V rchlickys sind gleich gelungen und gleichwertig: die Spätromantiker und Verbalisten, die farbenreichen Epiker der Renaissance aus dem Cinquecento