- 363 Macht enthüllen sie ihren Anteil an der Entwicklung der Menschheit. Allein, es sind keine bloßen historischen Prospekte: die Natur des ganzen Erdballs beteiligt sich an dem Gedankendrama der Menschheit, die Mythologie sendet ihre Sagen und Gestalten, die sozialen Strömungen brausen unter dem Theater der vier gewaltigen Protagonisten. Jeder Leser dieser berückenden Vision wird sich durch seine Gedanken- oder Gefühlsympathie für eine der vier mystischen Stimmen entscheiden. Nicht so der Dichter; seine Phantasie unterwirft sich allen und wird wie von einem Riesenvogel durch die Geschichte getragen. Nur wenige von Vrchlickys Werken haben sich zu der Höhe eines geschlossenen und fest gegliederten Epos emporgeschwungen: so die tiefe Legende des asketischen Anachoreten ~Hilarion« (1882); so die temperamentvolle, einen polnisch-nationalen Stofverarbeitende Faustiade ~Twardowski« (1885); so die grandiose von den Geistern der jüdischen Ahnen des Dichters umschwärmte Epopöe von Jerusalems tragischem Falle, ~Bar Kochba« (1898, deutsch von Boos- Waldeck, Dresden 1899); so das aus der altdänischen Sage geschöpfte ~Lied von der Vineta« (1906), wo die brausende See, der salzige Meereswind, die alten Buchenwälder an der Ostsee die wild barbarische Handlung mitbestimmen. Ganz eigenartig ist die bei seinen Landsleuten ungemein beliebte und geschätzte ~Legende vom hl. Prokopius« (1879, ursprünglich in der Sammlung »Mythen«). Hier lehnt sich Vrchlicky an einen einheimischen Stoff an, welcher bereits im 14. Jahrhundert poetisch verwertet wurde; besonderen Gefallen hat der Dichter, dem überhaupt ein frischer eigentümlicher Humor eigen ist, an allerlei drolligen Teufeleien, mit welchen er das aussterbende Heidentum mit absichtlicher Naivität ausstattet, sowie an der in Dalimils Art gehaltenen Polemik gegen die Deutschen, lauter Züge, die er schon in seiner Vorlage wenigstens angedeutet vorgefunden hat. Mit einer verschwindenden Minderzahl sind in Vrchlickys Lebenswerken erzählende Bücher in Prosaform vertreten: keine eigentlichen Novellen, treten sie als geistreiche, oft ironisch zugespitzte Thesenerzählungen auf und legen eine tiefe und pessimistische Lebenskenntnis an den Tag; bezeichnend hat sie der Dichter ~Farbige Scherben« (»Barevne stfepy«, 1887 und 1892, deutsch von Ed. Grün bei Reclam) genannt. Jene große Umwandlung des Dichters zugunsten eines lebens-