- 364 fröhlichen, weltbejahenden Optimismus, der wir in Vrchlickjs Reflexionsdichtung begegnet sind, klingt auch aus seinen lyrischen Gedichten, soweit sie des Dichters intimes Leben besingen. Wie es in jener Gruppe der freie Gedanke war, der den düsteren Pessimismus besiegte, so ist es hier die sinnliche glückliche Liebe. Vrchlickjs vollblütige, sensualistische und hedonistische Liebeslieder, die aber manchmal in faunische Lüsternheit ausarten und den schroffsten Gegensatz zu Zeyers schwindsüchtiger, seraphischer Erotik bilden, muten wie ein Rubens in Versen an. Gern wählen sie das antike Kostüm, doch am liebsten werfen sie im wilden Übermute jedes Gewand weg, das die kraftstrotzenden, üppigen, doch edel geformten Glieder verhüllen könnte. Von diesen Schöpfungen wirken am echtesten V rchlickjs ältere Liebesbücher »Eklogen und Lieder« (1879) und »Carovna zahrada« (»Der Zaubergarten« , 1888); doch auch jene, wo er seinem Meister Hugo nicht unähnlich, sein trautes, stilles Familienglück besingt, haben eine ruhige, harmonische Schönheit, so besonders die Sammlungen >Co zivot dal« (»Was mir das Leben gegeben«, 1883) und »Motyli vsech barev« (»Schmetterlinge in allen Farben«, 1887). Oft zeigt dagegen seine Lyrik nur ein formales Interesse: dann feiern sein eminenter Formsinn, seine ausgesprochene Vorliebe für die schwierigsten Strophengebilde , seine erstaunliche Fähigkeit, die romanischen Versformen in cechischer Sprache treu nachzubilden, seine Neigung zum Spielerischen, Leichten, Anmutvollen wahre Triumphe; so in vier vollendeten Sammlungen »Dojmy a rozmary« (»Stimmungen und Launen«, 1880), »Hudba v dusi« (»Seelenmusik«, 1886), »Zlaty prach« (>Der goldene Staub«, 1887) und »Meine Sonate (1893). Will man sich einen Begriff von dieser Formkunst Vrchlickys machen, so muß man an die Virtuosenstücke eines Theodore de Banville, des Autors der gewagten >Odes funambulesques« denken; muß sich der genialen Reimtechnik und Wortmusik des unübersetzbaren Edgar Allan Poe erinnern, ja sich die französischen Lyriker des späten Mittelalters vergegenwärtigen. Hier sieht man den großen Umgestalter der cechischen dichterischen Sprache in voller Rüstung; er hat seinen Nachfolgern. etwas ganz anderes hinterlassen, als er übernommen hat: eine Sprache voll verführerischer Musik, sinnlichen Glanzes und satter Farben, kein Instrument mehr, sondern ein ganzes polyphones Orchester, das zuweilen pianissimo