- 367 kamen, wo man mit allen Kräften um eine neue Welt- und Kunstanschauung kämpfte, verwarfen die ethisch gesinnten Kritiker Vrchlickys Eklektizismus, seinen L'art pour l'artismus, seinen Mangel an der höheren Einheit der Persönlichkeit; die neue ästhetische Schule vermißte bei ihm, welcher allzu oft neben tadellosen Meisterwerken auch die Späne aus seiner Werkstatvorgelegt hat, mit Recht strenge W ort- und Bildökonomie , die künstlerische Strenge und poetische Einheit und verlieh in heftigen Polemiken ihrer ehrlichen Anschauung den schroffsten Ausdruck. Erst in der allerletzten Zeit kehrt die künstlerische Jugend Böhmens zu Vrchlicky zurück und verehrt in ihm einen der größten Sänger des modernen Lebensgefühls. Doch eine vorurteilslose, ruhige Betrachtung wird eher dem Publikum mit seinen geistigen Führern die Schuld beimessen, daß Vrchlicky so verbittert, so verstimmt geworden ist. Dem hohen, kühnen Fluge von Vrchlickys Poesie, die alles in ihr Bereich gezogen hat, vom verborgensten Zittern der lebendig gewordenen Materie bis zu den erhabensten Problemen der Philosophie und der Geschichte, von den barbarischen Kämpfen des wilden Urmenschen bis zu der Leidensgeschichte des modernen Denkers und Dichters, - diesem Fluge konnte die cechische, durch nationale Vorurteile beengte Intelligenz freilich nicht folgen. Dieser legitime Erbe von Goethes "W eltlitteratur« kam allzu vorzeitig, als das cechische Volk noch nicht kulturell reif war für eine so reiche Ernte europäischen Gedankens, als dem tragischen Spätkömmling n0ch die Bedingungen für diesen üppigen Sommer von Ideen und Form mangelten. Man rief dem stolzen, einsamen Dichter bis zum Überdruß oft zu: "Komm, kühner Fremdling, auch unter uns und versuche da mit uns in Freud' und Leid zu leben!« Und der Dichter, der lange genug seinen hohen, einsamen Pfad gewandelt war, folgte diesen Lockrufen der nationalen Menge und ihrer Führer, - er stieg in das ruhige, aber enge Tal hinab und - akklimatisierte sich bald. Der Bekenner der unbeschränkten Rechte des Genius und der Urenkel der Renaissancemenschen wie Tizian , Michelangelo , Ariost, Leo X. versöhnte sich endlich mit der Mittelmäßigkeit, welche in den besten Jahren seines Schaffens ihn mit Nadelstichen zu töten strebte. Da war aber keine günstige Luft für seinen geistigen Entwicklungsgang, der Duft seiner bunten Blumen konnte sich