- 387 Auch die Wissenschaft bemüht sich immer mehr um die Erforschung der Lebensbedingungen des Landvolkes; die beiden Historiker Antonin Rezek und Josef Pekaf sind glänzende Belege dafür. Der temperamentvolle, unruhige An ton i n Re z e k (1853-1909), Tomeks Nachfolger auf dem Lehrstuhle der österreichischen Geschichte, war ein antiromantischer und nüchterner Gegner jeglicher Ideologie; ungemein politisch interessiert, betonte er immer das politische Moment in der Geschichte; auch widmete er große Aufmerksamkeit den administrativen und finanziellen Einrichtungen der Vergangenheit. Und doch galten seine selbständigsten Forschungen der >Geschichte der volkstümlichen religiösen Bewegung in Böhmen seit dem Toleranzpatente( (1893); leider ließ der bureaukratische Ehrgeiz Rezeks dieses aufschlußreiche Buch ein Torso bleiben. Der bedeutendste Schüler Rezeks und Golls, J 0 s e f Pe k a f, (geb. 1870) beerbte bald des ersteren Katheder; heute ist er der Führer der historischen Wissenschaft in Prag. Als ein ganz junger Mann beleuchtete er die verwickelten Irrwege der Waldsteinforschung ; dann beschäftigte er sich scharfsinnig und erfolgreich mit den ältesten Geschichtschreibern Böhmens und kam dabei zu wichtigen Resultaten; in der letzten Zeit legt er Grundsteine zur böhmischen Volkswirtschaftsgeschichte. Als vierzigjähriger Forscher, welcher nicht nur über eine vollendete Methode, sondern auch über eine klassische, männlich prägnante Sprache verfügt, vertiefte er sich in die Vergangenheit der Burg Kost in seinem Heimatwinkel bei Turnau in Nordostböhmen. So entstand ein fach· wissenschaftliches Buch, welches zugleich ein litterarisches Kunstwerk ist. Während Pekaf im ersten Teile in satten Farben und mit breitem Pinsel die adlige Gesellschaft des 17. Jahrhunderts malt, schildert er im zweiten die Untertanen dieser schönen und merkwürdigen Burg und stellt bahnbrechende Forschungen zu der böhmischen Wirtschaftsgeschichte an, die besonders unsere Kenntnisse über die Grundformen des Bauernlebens bereichern. Der feste Boden der ethnographischen Beobachtung, auf den sich die cechische Dorfgeschichte stützen konnte, fehlte sonst durchaus dem Roman und der Novelle aus dem böhmischen sozialen Leben. Die Schriftsteller besaßen weder das genügende Verständnis fUr die Lebensformen und Daseinsgesetze des gesellschaftlichen Organismus noch den hohen kritischen Standpunkt, 25*