17 Gerade aus diesen Schichten ersteht dann an der Scheide des 18. und 19. Jhs. die nationale Wiedergeburt und diese Klassen waren es, deren Werk und Ausdruck seit jener Zeit die cechische Literatur ist. Ihr Träger und Konsument ist die städtische Intelligenz, die den arbeitenden Klassen der Provinz entstammend, studienhalber in die Stadt gekommen war, sich Sitte und Ansprüche der Stadt angeeignet hatte und unter immerwährendem Streben nach gesellschaftlichem Aufschwung sich die demokratische Gemütsart und die durch den L.iberalismus des 19. Jhs. verstärkten demokratischen Neigungen bewahrt hat. In Ermangelung einer wirklichen Gesellschaftstradition, ersetzten sich eine solche diese europäisch gebildeten und in ihren Lebensbeziehungen einfachen Emporkömmlinge fle~ßig auf künstliche Art durch historische Erinnerungen. In diesem jungfrischen Gesellschaftskreise, wo es weder einen Adel noch eine reiche Geld- oder Fabrikbourgeoisie gab, konnten freilich nicht jene literarischen Formen aufkommen, deren Voraussetzung langwährende Tradition, feste Lebenskonventionen und durch Konversation geschliffener Sprachausdruck ist; daher hinkt der cechische Roman und das cechische Drama - das historische und volkskundliche Genre ausgenommen - soweit hinter der cechischen Lyrik nach und gelangt zur Entfaltung erst in den letzten Generationen, wo sich auch die reiche Bürgerschaft mit ihrem Volk eins fühlt und denkt. Dafür' rühmt sich das cechische Schrifttum eines für die junge demokratische Gesellschaft besonders kennzeichnenden Zuges. in dieser darf man nämlich die Frau nicht auf Vorteile einer körperlich und geistig gepflegten, geistreichen und vielverehrten Dame bauen, sondern sie siegt und gewinnt nur zufoige ihrer Arbeitskraft, selbständiger Lebenstüchtigkeit und dank ihrem schöpferischen Scharfsinn. Demnach ist es seit der Zeit der Bozena Nemcova eine immer wiederkehrende Erscheinung, daß gerade eine Schriftstellerin der cechischen Literatur ihr eigentümliches Gepräge aufdrückt; und dies geschieht in einem Ausmaß, daß es sogar die Anteilnahme der Frau in der polnischen Literatur übertrifft, die doch eine Orzeszkowa, Konopnicka, Zapolska besitzt. Diese cechischen Schriftstellerinnen betonen in ihrem Schaffen eher alles das, worin es eine Frau ihrem männlichen Widerpart gleichzutun wünscht, als die spezifisch weiblichen Merkmale: uneingeschüchtert scharfe Beobachtung, lebhaftes Interesse für Moralfragen, eine nicht versiegende Lust am Reformieren der Gesellschaft, bisweilen auch einen besonderen Sinn fürs Kon 2